Wie stark beeinflusst Bildung unsere Haltung zu Immigration – und verändert sich dieser Einfluss mit dem Alter und über Generationen hinweg? Eine neue Studie von Dr. Fabian Kratz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für quantitative Ungleichheitsforschung der LMU, zeigt: Polarisierungsprozesse verlaufen nicht nur über Generationen hinweg, sondern verstärken sich auch mit dem Alter. Dabei kann die Polarisierung zwischen Geburtskohorten altersbedingte Polarisierungen überdecken.
Multikohorten-Panel macht verborgene Dynamiken sichtbar
Die Analyse basiert auf 22 Wellen des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP), das wiederholte Befragungen von Personen unterschiedlicher Geburtsjahrgänge umfasst. Sie zeigt, dass bildungsbezogene Unterschiede in der Sorge um Zuwanderung zunehmen. „Die Daten zeigen: Menschen mit höherer Bildung äußern geringere Sorgen in Bezug auf Immigration. Die Unterschiede zwischen Bildungsgruppen nehmen dabei mit zunehmendem Alter zu und sind bei jüngeren Generationen größer als bei älteren“, so Kratz.
Theoretischer Durchbruch und methodische Innovation
Mit den Konzepten der Age Polarization und Cohort Polarization liefert die Studie eine neue Erklärung für das Phänomen, dass in der öffentlichen Diskussion häufig von zunehmender politischer Polarisierung die Rede ist, obwohl empirische Studien dies oft nicht bestätigen – das sogenannte „Polarisierungsparadoxon“. „Polarisierung bleibt unsichtbar, wenn man nur eine Zeitdimension betrachtet. Erst die Kombination aus Alter und Kohorte zeigt das ganze Bild“, erklärt Kratz. Die Studie nutzt moderne Panelanalysen sowie Machine-Learning-gestützte Gewichtungen, um Verzerrungen der Ergebnisse zu vermeiden.
Relevanz für Bildung und Gesellschaft
Die Ergebnisse helfen, widersprüchliche Befunde zur Wirkung von Bildung auf Einstellungen zu erklären. „Die Effekte von Bildung auf politische Einstellungen sind nicht stabil – sie entfalten sich mit dem Alter und verändern sich über Generationen hinweg. So lassen sich bisher scheinbar widersprüchliche Forschungsergebnisse miteinander in Einklang bringen“, betont Kratz.Die Studie zeigt damit neue Wege auf, wie Polarisierung besser gemessen und verstanden werden kann – mit Relevanz für Bildungs-, Integrations- und Demokratieforschung.
Publikation:
Fabian Kratz: Rising Educational Divides in Attitudes: How Polarization Across Cohorts Can Mask Age-Related-Polarization. In: Sociological Science 2025 DOI: 10.15195/vX.aY